diff --git a/articles/essler_wilcken_wuerzburg/essler_wilcken_wuerzburg.xml b/articles/essler_wilcken_wuerzburg/essler_wilcken_wuerzburg.xml index 12d5f8f..9b524e7 100644 --- a/articles/essler_wilcken_wuerzburg/essler_wilcken_wuerzburg.xml +++ b/articles/essler_wilcken_wuerzburg/essler_wilcken_wuerzburg.xml @@ -35,7 +35,7 @@ - 2023-11-17T19:12:19Z + 2023-11-17T19:16:54Z Holger Essler @@ -52,6 +52,95 @@

Während seiner Zeit als Ordinarius für Alte Geschichte in Würzburg (1900–1903) hatte Wilcken von Friedrich Prym 3500 (französische) francs zum Aufbau einer Papyrussammlung erhalten, die 1903–1909 in mehreren Ankäufen über das Deutsche Papyruskartell erworben wurde. Die erste Erwerbung traf ein, als Wilcken bereits nach Halle wegberufen war. Mit Zustimmung des Stifters verblieben die Originale zunächst zur Bearbeitung bei Wilcken und folgten seinem Weg, der ihn 1906 nach Leipzig, 1912 nach Bonn, 1915 nach München und schließlich 1917 nach Berlin führte. Zur Verwendung im akademischen Unterricht übergab Wilcken in dieser Zeit die nachmaligen ersten 17 Inventarnummern an die Würzburger Universitätsbibliothek: 1908 Inv. 1–3 und 4–9, sowie 1915 Inv. 10–17.

Vgl. Essler 2009: 169–173.

Anhand seiner Korrespondenz läßt sich die Arbeit in den nächsten Jahren bis zum Erscheinen des Editionsbandes (P.Würzb.) nachzeichnen.

Abgedruckt sind Dokumente folgender Institutionen: 1) British Library, London (BL). Meine Transkriptionen der Folia 206–210 aus Add. MS 59522 beruhen auf Xerokopien, die mir N. Gonis freundlichst zur Verfügung stellte; 2) Universitätsbibliothek Würzburg, Archiv der UB (ArchUBW). Die Wiedergabe der Archivunterlagen folgt der Orthographie und der Zeichensetzung der Originale, jedoch nicht den dortigen Zeilenumbrüchen. Änderungen sind nach dem Leidener Klammersystem gekennzeichnet, Zeichenstand und Interpunktion folgen dem Original. Seitenumbrüche sind mit | und hochgestellter Seitenzahl wiedergegeben, Zeilenumbrüche in den Grußformeln mit einfachem |.

+
+ Text +

Mit Wilckens Übersiedelung nach Berlin gelangten die restlichen Papyri schließlich in die dortige Papyrussammlung und in die Hände Hugo Ibschers, der die weitere Konservierung übernahm. Wilcken behielt sich weiterhin die Publikation der Stücke vor, wie seine Antwort vom 11. Juni 1921 auf eine – nicht erhaltene – Anfrage von Gustav Soyters (1883–1965) zeigt, der 1921 in Würzburg für Mittel- und Neugriechische Philologie habilitiert wurde und dort bis 1927 als Privatdozent, dann bis 1936 als nichtplanmäßiger außerordentlicher Professor lehrte:

Brief Wilckens an Soyter, datiert 11. Juni 21. Masch. Abschrift in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Sehr geehrter Herr College! + +

Nach der Abfassung dieses Briefes scheint Wilcken ein Jahrzehnt nicht mehr an der Sammlung gearbeitet zu haben. Jedenfalls gab es wohl weiter keine Korrespondenz mit den Interessenten in Würzburg. Denn als am 30. Dezember 1931 der damalige Leiter der Universitätsbibliothek, Otto Handwerker (1877–1947),

Zu Handwerker vgl. Mälzer 1987. In seinem Lebensrückblick schreibt Handwerker (Mälzer 1987: 50) über Wilcken, er sei „der Würzburger Universität, der er selbst einst für einige Jahre angehört hat, ihrer Bibliothek und mir persönlich für die Dauer freundlich verbunden“ gewesen. Handwerker hatte 1899 die Lehramtsprüfung in Deutsch, Geschichte und Geographie in Würzburg abgelegt, dann weitere drei Semester dort diese Fächer studiert und an einer Dissertation als Schüler des Historikers Theodor Henner (1851–1928) gearbeitet, der seit 1886 außerordentlicher Professor, ab 1898 Ordinarius in Würzburg war. Am 1.1.1901 trat er als II. Assistent in die Würzburger Universitätsbibliothek ein (vgl. Mälzer 1987: 2, 6–7, 112). Wilcken war vom Wintersemester 1900 bis März 1903 in Würzburg (vgl. Audring 1994: 17, 53 und 56 Anm. 1).

die Angelegenheit wieder aufnimmt, beruft er sich als letztem Stand auf jenes Schreiben:

Brief Handwerkers an Wilcken, datiert, Würzburg, den 30. XII. 1931. Masch. Entwurf mit handschr. Zusätzen in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Hochgeehrter Herr Geheimrat! + +

Wilcken bittet am 16. Januar 1932 um einigen Aufschub, verspricht aber eine eingehende Behandlung der Papyri in nächster Zeit. Damit stellt er – wohl in Reaktion auf Handwerkers Brief – die Arbeit an weiteren, seit langem versprochenen Werken wie dem Editionsband der Bremer Papyri, die 1936 erschienen,

Die Inhaltsbestimmung der ganzen Sammlung hatte Wilcken bereits 1914 vorgenommen und wollte noch in diesem Jahr auch mit der Veröffentlichung beginnen, vgl. Essler und Hermes-Wladarsch 2015: 477–478.

und dem zweiten Band der Urkunden der Ptolemäerzeit, deren Druck 1935 begann, hintan. Seine Antwort gibt auch einige Hinweise auf die damalige Aufbewahrung der Papyri, die anscheinend weitgehend unrestauriert in den Ankaufskisten im Berliner Museum lagen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 16.1.32. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Sehr geehrter Herr Direktor! + +

Verschiedene Faktoren und namentlich die Erkrankung Hugo Ibschers (1874–1943),

Zu Ibscher vgl. den Nachruf seines Sohnes in Ibscher 1959 und die Würdigung von Krutzsch 1994.

auf dessen Restaurierungskunst Wilcken gerechnet hatte, verzögern den Abschluß des von Handwerker gewünschten Berichts bis in den Sommer,

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „2. Aug(ust) 32“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 5.8.32 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a: „Sehr geehrter Herr Direktor! | Ich hatte die Absicht, Ihnen noch vor Antritt meiner Ferienreise meinen Bericht über die Würzburger Papyri zu schicken, in denen ich in diesem Sommer viel gearbeitet habe. Als ich aber heute in das Museum kam, um von Herrn Dr. Ibscher, der die Papyri unter Glas bringt, noch einige notwendige Auskünfte zu erhalten, erfuhr ich zu meinem Bedauern, daß er vor wenigen Tagen in Urlaub gegangen |² ist und zur Zeit nicht erreichbar ist. Da ich auf diese Auskünfte für meinen Bericht nicht verzichten kann, so bitte ich Sie, freundlichst zu entschuldigen, wenn ich Ihnen meinen Bericht erst nach der Rückkehr von meiner Ferienreise, im Laufe des Septembers zuschicke. | In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken“.

so daß Wilcken ihn erst am 27. September 1932 abschicken kann.

Abgedruckt in Essler 2009: 169–172.

Hingegen schreitet die Edition voran und mündet am 6. April 1933 in einen Vortag vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Tags darauf informiert Wilcken Handwerker über den Vortrag und den Plan, den Editionsband in den Abhandlungen der Akademie zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck bat er auch um leihweise Überlassung einiger in Würzburg aufbewahrter Stücke, um die Originale für die Edition erneut zu vergleichen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 7.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 8.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Sehr geehrter Herr Direktor! + +

Nachdem Handwerker sich postwendend mit der Übersendung einverstanden erklärt hatte, bat Wilcken am 13. April 1933 um Übersendung von zehn Inventarnummern:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 13.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 15.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Darunter die handschr. Notiz „abgesandt 20.4.33.“

+ + Sehr verehrter Herr Direktor! | Haben Sie schönen Dank für Ihr geschätztes Schreiben vom 8. c(u)r(rentis mensis). Ich freue mich sehr, daß Sie bereit sind, mir einige Originale zum Zweck der Publikation zurückzuschicken. Ich möchte um folgende Stücke bitten: Nr. 2, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 17. Dazu kommt der Sosylos (1), der neu verglast werden soll. Ich habe gestern H(er)rn Schubart gesprochen, der sich gern bereit erklärte, |² die Sendung anzunehmen und im Museum aufzubewahren. Die Adresse ist: + +

Am 20. April wurden die Papyri verschickt und gelangten am 23. April wohlbehalten im Berliner Museum an, wie Wilcken am darauffolgenden Montag Handwerker bestätigt:

Postkarte Wilckens an Handwerker, datiert 25.4.33. Handschr. Original mit Poststempel vom 25.4.1932 und Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 26.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Sehr geehrter Herr Direktor! | Als ich vorgestern, am Sonnabend im Museum an den Papyri arbeitete, kam zu meiner Freude Ihre Kiste mit den 10 Würzb(urger) Papyri an. Sie sind alle heil angekommen. Die beigelegte Quittung über den Empfang der Sendung wird Ihnen H(er)r Prof. Schubart übersandt haben. Ich aber möchte Ihnen herzlich danken, daß Sie meine Bitte so freundlich erfüllt haben. In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ergebener UWilcken. + +

Danach verzögert sich jedoch erneut der Fortgang der Arbeiten, so daß am 20. Juli Schubart um Verlängerung der Leihfrist für die Originale ersuchte:

Brief Schubarts an Handwerker, datiert „Berlin C 2 20/7/33“. Masch. Original mit Unterschrift und Briefkopf der Ägyptischen Abteilung, Papyrussammlung der Staatlichen Museen. Darauf Eingangsstempel der UB Würzburg vom 21.7.33 (Eingangsnummer 986) und der Entwurf der Antwort.

+ + Sehr geehrter Herr Direktor, + +

Wieder stimmte Handwerker postwendend zu:

Brief Handwerkers an Schubart, datiert „W(ürzburg) 21.7.33“. Handschr. Entwurf auf Wilckens Brief vom Vortag.

+ + Hochgeehrter Herr Professor! + +

Insofern wäre Wilckens gleichlautende Bitte, die er zwei Tage später selbst noch einmal an Handwerker schrieb, nicht nötig gewesen. Er unterstrich sie mit einer weiteren Erklärung und dem Sonderdruck der Sitzungsberichte:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „23. Juli 33“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek vom 24.7.1933 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Am Ende die Notiz „beantwortet 24.7.33 ENo 1009“.

+ + Sehr geehrter Herr Direktor! + +

Die Verzögerung hatte jedoch auch ihr Gutes. Denn Wilcken holte namentlich für die ihm ferner liegenden literarischen Papyri die Expertise von Fachkollegen ein: Noch vor dem Akademievortrag hatte er Eduard Schwartz (1858–1940), München, konsultiert, den Herausgeber der Scholien zu Euripides, Phoenissen (zu P.Würzb. 1).

Vgl. P.Würzb.: 8. Erhalten sind sechs Briefe Wilckens aus den Jahre 1933–1934.

Für P.Würzb. 2 konnte er sich auf die Nachrichten von Johannes Stroux (1886–1954), damals ebenfalls in München, stützen, für P.Würzb. 3 auf Hans Lietzmann, mit dem er im Frühling 1933 gemeinsam am Original arbeitete (P.Würzb.: 32).

+

Bei den dokumentarischen Texten griff Wilcken hingegen nur vereinzelt auf Auskunft und Rat von Kollegen zurück, etwa bezüglich einer Frage zur arabischen Verwaltung, die er Adolf Grohmann (1887–1977) vorlegte (P.Würzb.: 104). Lediglich die Verzögerung der Arbeiten erlaubte aber seine Rückfrage bei Harold Idris Bell (1879–1967) nach Belegen für einen antinoitischen Gau. Denn der Anlaß zur Rückfrage lag in Bells Aufsatz, der im Septemberheft von Aegyptus XIII (1933) erschienen war. Der ganze Jahrgang war als Festgabe anläßlich Wilckens 70. Geburtstag konzipiert, und Aristide Calderini (1883–1968) hatte Wilcken das zweite Heft der Zeitschrift nach dessen Vortrag auf dem 3. Internationalen Papyrologentag (München, 4.-7.9.1933) überreicht.

Vgl. Berneker 1934: 460.

In seinem Beitrag hatte Bell fünf antinoitische Urkunden aus einer größeren Gruppe vorgelegt und weitere Texte erwähnt.

Bell 1933.

Wilcken schrieb ihm daraufhin ausführlich am 22. November 1933:

Brief Wilckens an Bell, datiert „22.11.33“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 206–207.

+ + Dear Mr. Bell! + +

Bell teilte daraufhin nach Durchsicht seiner früheren Abschriften mit, daß er in der Tat keine Erwähnung eines antinoitischen Gaues in früherer Zeit gefunden habe. Er liefert ferner zwei Zitate aus bisher unveröffentlichten Texten, zum einen, als „very strong evidence in favour of your theory“ die Herkunftsangabe ἀπὸ Ἀλαβαστρίνης τῆς Ἀντινόου νομαρχίας aus Inv. Nr. 2269 (2. Jahrhundert), zum anderen den Passus ἀπὸ κώ[μης --]ου τοῦ Ἀντινοΐτου νομοῦ aus dem Jahr 302 (Inv. Nr. 2288).

Bells Brief ist nicht erhalten. Die obigen Angaben beruhen auf Wilckens Bericht in P.Würzb.: 55. P.Lond. Inv. 2269 ist von Gonis 2023, P.Lond. Inv. 2288 von Fogarty 2023 ediert.

Erst am 7. Januar kommt Wilcken dazu, sich zu bedanken:

Brief Wilckens an Bell, datiert „7.1.34“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 208–210.

+ + + Lieber Herr Bell! + +

Drei Monate später war der Band abgeschlossen und im Erscheinen, wie Wilcken am 17. April 1934 an Handwerker berichtet:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „17.4.34“. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

+ + Sehr verehrter Herr Direktor! + +

Damit lag weniger als zweieinhalb Jahre nach Handwerkers erstem Schreiben an Wilcken der erwünschte Editionsband vor. Bald nach dem Eintreffen des angekündigten Exemplars berichtete dieser an den Rektor der Universität Würzburg, den zum 15.10.1933 ernannten Rechtsmediziner Herwart Fischer (1885–1938) von diesem Erfolg seiner Bemühungen:

Brief Handwerkers an Fischer, ohne Datum. Handschr. Entwurf mit „ANo. 561“ in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Dazu kommt ein Nachtrag am rechten oberen Rand: „Das Vorwort gibt kurzen Bericht über die Stiftung. Ich kann vorläufig nur das mir persönlich übersandte Exemplar vorlegen.“

+ + Euere Magnifizenz! + +

Mit dem Erscheinen des Bandes war für Wilcken, zumal angesichts zahlreicher anderer Verpflichtungen, die Editionstätigkeit Würzburger Stücke abgeschlossen, wenn er auch wie versprochen bei den in der Folge von Ibscher noch restaurierten Papyri eine Bestimmung für das Inventar vornahm. Da der Editionsband Jahre vor Abschluß der Restaurierung erschien, konnten freilich erst später von Ibscher bearbeitete Stücke nicht mehr berücksichtigt werden und blieben daher auch wichtige Stücke unveröffentlicht.

+
+
+ + Literaturverzeichnis + + Audring, G. (ed.) (1994) Ulrich Wilcken. Briefe an Eduard Meyer. 1889 – 1930. Konstanz. + + Becht-Jördens, G. (2023) ”‘Aus Teilen nur erkennen wir.‘,“ in L. Berkes, W. G. Claytor und M. Nowak (Hg.), Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens. Wiesbaden: 187–218. + + Bell, H. I. (1933) ”Diplomata Antinoitica,“ Aegyptus 13: 514–528. + + Bell, H. I. (1934) ”Papyrology and Byzantine Studies,“ in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 314–326. + + Berneker, E. (1934) ”Bericht über den Verlauf des 3. Internationalen Papyrologentages,” in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 459–463. + + Essler, H. (2009) ”Zur Geschichte der Würzburger Papyrussammlung,“ Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 33: 165–192. + + Essler, H. und Hermes-Wladarsch, M. (2015) ”Zur Erwerbung der Bremer Papyrussammlung und des Apollonios-Archivs,” APF 38: 431–481. + Fogarty, S. (2023), Tyche 38. + Gonis, N. (2023) ”An Antinoite Document of 181–183,“ Pylon 4. + + Herber, F. (2002) Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Leipzig. + + Ibscher, R. (1959) ”Hugo Ibscher zum Gedächtnis,“ Altertum 5: 183–189. + + Krutzsch, M. (1994) ”‘Geduld will beim Werke sein‘. Zur Erinnerung an Hugo Ibschers Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in der Berliner Papyrussammlung 1894,“ APF 40: 165–166. + + Lüders, H. (1933) ”Zur Geschichte des ostasiatischen Tierkreises,“ SPAW: 998–1022. + + Mälzer, G. (1987) Otto Handwerker (1877 - 1947). Bibliothekar und Historiker. Würzburg. + +
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Wilckens Arbeit am Editionsband der Würzburger Papyri (P.Würzb.)

Holger Essler

Universität Würzburg

holger.essler@uni-wuerzburg.de

Während seiner Zeit als Ordinarius für Alte Geschichte in Würzburg (1900–1903) hatte Wilcken von Friedrich Prym 3500 (französische) francs zum Aufbau einer Papyrussammlung erhalten, die 1903–1909 in mehreren Ankäufen über das Deutsche Papyruskartell erworben wurde. Die erste Erwerbung traf ein, als Wilcken bereits nach Halle wegberufen war. Mit Zustimmung des Stifters verblieben die Originale zunächst zur Bearbeitung bei Wilcken und folgten seinem Weg, der ihn 1906 nach Leipzig, 1912 nach Bonn, 1915 nach München und schließlich 1917 nach Berlin führte. Zur Verwendung im akademischen Unterricht übergab Wilcken in dieser Zeit die nachmaligen ersten 17 Inventarnummern an die Würzburger Universitätsbibliothek: 1908 Inv. 1–3 und 4–9, sowie 1915 Inv. 10–17.

Vgl. Essler 2009: 169–173.

Anhand seiner Korrespondenz läßt sich die Arbeit in den nächsten Jahren bis zum Erscheinen des Editionsbandes (P.Würzb.) nachzeichnen.

Abgedruckt sind Dokumente folgender Institutionen: 1) British Library, London (BL). Meine Transkriptionen der Folia 206–210 aus Add. MS 59522 beruhen auf Xerokopien, die mir N. Gonis freundlichst zur Verfügung stellte; 2) Universitätsbibliothek Würzburg, Archiv der UB (ArchUBW). Die Wiedergabe der Archivunterlagen folgt der Orthographie und der Zeichensetzung der Originale, jedoch nicht den dortigen Zeilenumbrüchen. Änderungen sind nach dem Leidener Klammersystem gekennzeichnet, Zeichenstand und Interpunktion folgen dem Original. Seitenumbrüche sind mit | und hochgestellter Seitenzahl wiedergegeben, Zeilenumbrüche in den Grußformeln mit einfachem |.

Mit Wilckens Übersiedelung nach Berlin gelangten die restlichen Papyri schließlich in die dortige Papyrussammlung und in die Hände Hugo Ibschers, der die weitere Konservierung übernahm. Wilcken behielt sich weiterhin die Publikation der Stücke vor, wie seine Antwort vom 11. Juni 1921 auf eine – nicht erhaltene – Anfrage von Gustav Soyters (1883–1965) zeigt, der 1921 in Würzburg für Mittel- und Neugriechische Philologie habilitiert wurde und dort bis 1927 als Privatdozent, dann bis 1936 als nichtplanmäßiger außerordentlicher Professor lehrte:

Brief Wilckens an Soyter, datiert 11. Juni 21. Masch. Abschrift in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr College!

Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich Ihre Anfrage so lange unbeantwortet gelassen habe. Es ist mir sehr peinlich, dass ich nicht eher zum Schreiben kam. Was die Publikation der Würzburger Papyri betrifft, so ist ausser dem Sosylos und dem von Ihnen schon erwähnten Schreiben betreffs Antinoopolis (= W. Chrestomathie n. 26) noch ein kleines Stück aus Antinoopolis publiciert bei E. Kühn, Antinoopolis (Leipz. Diss. 1913) S. 146 (vom Jahre 158 nach Chr.). Weiteres ist bisher meines Wissens nicht ediert worden. Vorausgesetzt, dass Herr Ibscher Zeit findet, die Würzburger Papyri in Angriff zu nehmen, hoffe ich, bald weitere Stücke eingerahmt nach Würzburg schicken zu können. Dann wird es sich auch lohnen, mal eine kleine Publikation der Würzburger Papyri zu machen, die ich schon lange plane. Dass Sie die dortige Sammlung für den Unterricht benutzen, höre ich mit grossem Vergnügen.

In vorzüglicher Hochachtung | Ihr ergebener UWilcken

Nach der Abfassung dieses Briefes scheint Wilcken ein Jahrzehnt nicht mehr an der Sammlung gearbeitet zu haben. Jedenfalls gab es wohl weiter keine Korrespondenz mit den Interessenten in Würzburg. Denn als am 30. Dezember 1931 der damalige Leiter der Universitätsbibliothek, Otto Handwerker (1877–1947),

Zu Handwerker vgl. Mälzer 1987. In seinem Lebensrückblick schreibt Handwerker (Mälzer 1987: 50) über Wilcken, er sei „der Würzburger Universität, der er selbst einst für einige Jahre angehört hat, ihrer Bibliothek und mir persönlich für die Dauer freundlich verbunden“ gewesen. Handwerker hatte 1899 die Lehramtsprüfung in Deutsch, Geschichte und Geographie in Würzburg abgelegt, dann weitere drei Semester dort diese Fächer studiert und an einer Dissertation als Schüler des Historikers Theodor Henner (1851–1928) gearbeitet, der seit 1886 außerordentlicher Professor, ab 1898 Ordinarius in Würzburg war. Am 1.1.1901 trat er als II. Assistent in die Würzburger Universitätsbibliothek ein (vgl. Mälzer 1987: 2, 6–7, 112). Wilcken war vom Wintersemester 1900 bis März 1903 in Würzburg (vgl. Audring 1994: 17, 53 und 56 Anm. 1).

die Angelegenheit wieder aufnimmt, beruft er sich als letztem Stand auf jenes Schreiben:

Brief Handwerkers an Wilcken, datiert, Würzburg, den 30. XII. 1931. Masch. Entwurf mit handschr. Zusätzen in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Hochgeehrter Herr Geheimrat!

Sie hatten die Güte, von dem für unsere Bibliothek bestimmen Papyri der Friedrich Prym-Stiftung uns bisher in den Jahren 1908–15 insgesamt 17 Stück zu übersenden. Wie wir aus Ihrer Chrestomathie no.26 und aus Ihren brieflichen Aeusserungen vom 24.11.1910 sowie vom 6.9.1915 entnehmen, stehen noch eine Anzahl weiterer Papyri aus. In einem Schreiben an Herrn Prof. Dr. G. Soyter vom 11.6.1921 kündigten Sie freundlichst die Uebersendung dieser Stücke an uns an. Da sich nun hier |² wieder lebhafteres Interesse an unserer Papyrussammlung regt ⟦und um die Angelegenheit nun nach einem Menschenalter überhaupt zum Abschluss zu bringen,⟧ bitten wir Sie höflichst, uns den Rest der Papyri ⟦samt Schlussabrechnung⟧ gütigst übersenden zu wollen.

⟦Auch wären wir Ihnen sehr dankbar um⟧ ⟦Da⟧ Unsere Akten versagen, daher wären wir für gütigen Bericht über den Zeitpunkt, die Veranlassung und die näheren Bestimmungen der Stiftung sehr dankbar, ebenso für gef(ä)l(lige) Auesserung über den Stand der Vorbereitungen zur Gesamtpublikation der Papyri, die ja, wie Sie seinerzeit mitteilten, von Ihnen selbst geplant war.

In ausgezeichneter Hochachtung und mit den besten Wünschen zum eben herannahenden Neuen Jahre | ⟦sehr erg(eben)⟧ ganz ergeben | OH(andwerker)

Wilcken bittet am 16. Januar 1932 um einigen Aufschub, verspricht aber eine eingehende Behandlung der Papyri in nächster Zeit. Damit stellt er – wohl in Reaktion auf Handwerkers Brief – die Arbeit an weiteren, seit langem versprochenen Werken wie dem Editionsband der Bremer Papyri, die 1936 erschienen,

Die Inhaltsbestimmung der ganzen Sammlung hatte Wilcken bereits 1914 vorgenommen und wollte noch in diesem Jahr auch mit der Veröffentlichung beginnen, vgl. Essler und Hermes-Wladarsch 2015: 477–478.

und dem zweiten Band der Urkunden der Ptolemäerzeit, deren Druck 1935 begann, hintan. Seine Antwort gibt auch einige Hinweise auf die damalige Aufbewahrung der Papyri, die anscheinend weitgehend unrestauriert in den Ankaufskisten im Berliner Museum lagen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 16.1.32. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Entschuldigen Sie, daß ich erst heute dazu komme, Ihr freundliches Schreiben vom 30. 12. 31 zu beantworten.

Ihr Brief hat die Wirkung gehabt, daß ich mich entschlossen habe, sobald die Osterferien beginnen, mich einmal gründlich mit den Würzburger Papyri zu beschäftigen. In diesen letzten Semesterwochen, die erfahrungsgemäß immer besonders belastet sind, würde ich keine ruhige Zeit |² dazu finden. Aber ich freue mich darauf, in den Osterferien an diese Aufgabe zu gehen, zumal nachdem ich vor einigen Tagen im Museum die 9 Blechschachteln, die unsere Ankäufe enthalten, wieder einmal durchgesehen habe: Es sind neben den vielen wertlosen Fetzen, die aus praktischen Gründen mitgekauft werden mußten, doch noch manche Stücke darunter, die von wissenschaftlichem Wert sind. Einzelne |³ sind bereits vor längeren Jahren von Dr. Ibscher zwischen Glasplatten gelegt worden, einige andere habe ich ihm neulich zur Bearbeitung übergeben, damit ich sie in den Osterferien behandeln kann. Ich bitte Sie, mir zu gestatten, daß ich die Fragen, die Sie am Schluß Ihres Briefes an mich richten, auch dann erst beantworte, wenn ich diese Arbeit gemacht habe. Daß ich in diesen meinen Berliner Jahren, | 4 die mich z(um) T(eil) auf ganz andere Gebiete geführt haben, gar nicht dazu gekommen bin, mich mit den Würzburger Papyri zu beschäftigen, bedaure ich aufrichtig. Aber ich will mich jetzt bemühen, das Versäumte nachzuholen, und als Emeritus hoffe ich ja auch, bald mehr freie Zeit für mich zu gewinnen.

Indem ich Ihre freundlichen Glückwünsche für das neue Jahr mit bestem Dank erwidere, bin ich | in ausgezeichneter Hochachtung | Ihr ergebener | UWilcken

Verschiedene Faktoren und namentlich die Erkrankung Hugo Ibschers (1874–1943),

Zu Ibscher vgl. den Nachruf seines Sohnes in Ibscher 1959 und die Würdigung von Krutzsch 1994.

auf dessen Restaurierungskunst Wilcken gerechnet hatte, verzögern den Abschluß des von Handwerker gewünschten Berichts bis in den Sommer,

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „2. Aug(ust) 32“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 5.8.32 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a: „Sehr geehrter Herr Direktor! | Ich hatte die Absicht, Ihnen noch vor Antritt meiner Ferienreise meinen Bericht über die Würzburger Papyri zu schicken, in denen ich in diesem Sommer viel gearbeitet habe. Als ich aber heute in das Museum kam, um von Herrn Dr. Ibscher, der die Papyri unter Glas bringt, noch einige notwendige Auskünfte zu erhalten, erfuhr ich zu meinem Bedauern, daß er vor wenigen Tagen in Urlaub gegangen |² ist und zur Zeit nicht erreichbar ist. Da ich auf diese Auskünfte für meinen Bericht nicht verzichten kann, so bitte ich Sie, freundlichst zu entschuldigen, wenn ich Ihnen meinen Bericht erst nach der Rückkehr von meiner Ferienreise, im Laufe des Septembers zuschicke. | In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken“.

so daß Wilcken ihn erst am 27. September 1932 abschicken kann.

Abgedruckt in Essler 2009: 169–172.

Hingegen schreitet die Edition voran und mündet am 6. April 1933 in einen Vortag vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Tags darauf informiert Wilcken Handwerker über den Vortrag und den Plan, den Editionsband in den Abhandlungen der Akademie zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck bat er auch um leihweise Überlassung einiger in Würzburg aufbewahrter Stücke, um die Originale für die Edition erneut zu vergleichen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 7.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 8.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Zu meiner Freude kann ich Ihnen mitteilen, daß ich gestern den Ihnen in Aussicht gestellten Vortrag über die Würzburger Papyrus-Sammlung in der Klassensitzung der Akademie gehalten habe. Eigentlich hatte ich den Vortrag schon am 9. März halten sollen, aber ein College bat mich, mit ihm zu tauschen,

Laut den SPAW 1933: 364, war der einzige Vortrag an diesem Tag von H. Lüders über den ostasiatischen Tierzyklus (abgedruckt als Lüders 1932).

und so habe ich erst gestern gesprochen.

Ich gab einen Ueberblick über die Entstehung und den Inhalt der Sammlung, und erhielt dann auf meinen Antrag die Erlaubnis, eine Auswahl der wissenschaftlich wichtigeren Stücke in den Abhandlungen der Akademie zu veröffentlichen.

Zu diesen sollen zunächst gehören die 3 literarischen Stücke, die alle drei von besonderem Interesse sind, nämlich 1) ein Codexblatt mit Scholienexcerpten zu Euripides‘ |² Phönissen aus dem VI. Jahrh., 2) ein Fragment einer Schrift περὶ τρόπων aus dem II. Jahrh. nach Chr. und 3) ein Fragment einer christlichen Liturgie aus dem III. Jahrhundert. Dazu sollen dann einige wichtigen Urkunden kommen.

Laut dem Bericht über Wilckens Vortrag in den SPAW 1933: 474 (abgedruckt unten in Anm. 19) über die Sitzung vom 6. April legte er in der Sitzung die drei literarischen Papyri vor und berichtete über eine Auswahl an Urkunden, die zusammen mit jenen in den Abhandlungen veröffentlicht werden sollten.

Es liegt nun im Interesse auch der Würzb(urger) Sammlung, daß ich mich bei der Auswahl der zu publicierenden Urkunden nicht nur auf die beschränke, die jetzt hier nachträglich praepariert sind, sondern daß ich auch einige wichtige Stücke von denen publiciere, die ich Ihnen bereits verglast abgeliefert habe. Dazu ist aber notwendig, daß ich diese im Original vor mir habe, denn wenn ich auch damals vor der Absendung mir Abschriften von den Texten gemacht habe, kann ich doch unmöglich nach diesen eine Publikation in der Akademie machen.

Ich möchte daher heute zunächst die Frage an Sie richten, ob Sie prinzipiell bereit wären mir einige Stücke von den |³ 17 bei Ihnen schon deponierten Papyri zum Zweck der Publikation auf einige Zeit zurückzuschicken. Ich würde empfehlen, falls Sie einverstanden sind, sie an das Berliner Museum an die ⟦Ad⟧ Adresse von Prof. W. Schubart, dem Custos der Papyrus-Abteilung, zu schicken. Als ich vor einiger Zeit mit Hrn. Ibscher darüber sprach, meinte er, daß eine solche vorübergehende Rücksendung (Einzelner) sich auch deshalb empfehlen würde, weil die Verglasung dieser Stücke - übrigens ⟦in⟧ meistens nicht von ihm, sondern von anderer, weniger geübter Seite - schon vor langen Jahren gemacht sei, so daß eine Nachprüfung und event(uell) neue ⟦Ver⟧ Praeparierung und Verglasung, die er sehr gern machen würde, sich vielleicht in einzelnen Fällen empfehlen würde.

Wenn Sie, sehr geehrter Herr Direktor, Sich prinzipiell einverstanden erklären würden, wie ich hoffe, so würde ich mir |4 dann erlauben, Ihnen in einem weiteren Brief die Liste der zu übersendenden Originale - ich denke etwa 8–9 - zu übersenden.

Ich kann übrigens hinzufügen, dass H(er)r Ibscher in den letzten Monaten sehr eifrig und mit schönem Erfolg an der Praeparierung der W(ürzburger) P(apyri) gearbeitet hat. Es sind, auch durch Zusammenfügung von Fragmenten, noch einige sehr hübsche Stücke herausgekommen. Leider ist er seit kurzem erkrankt und wird noch einige Zeit dem Museum fernbleiben müssen. Auch ich habe im letzten Halbjahr viel Zeit auf die W(ürzburger) P(apyri) verwendet, aber die Herstellung der Textpublikation mit Kommentaren wird noch viel Arbeit erfordern.

In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ergebener | UWilcken

Nachdem Handwerker sich postwendend mit der Übersendung einverstanden erklärt hatte, bat Wilcken am 13. April 1933 um Übersendung von zehn Inventarnummern:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 13.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 15.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Darunter die handschr. Notiz „abgesandt 20.4.33.“

Sehr verehrter Herr Direktor! | Haben Sie schönen Dank für Ihr geschätztes Schreiben vom 8. c(u)r(rentis mensis). Ich freue mich sehr, daß Sie bereit sind, mir einige Originale zum Zweck der Publikation zurückzuschicken. Ich möchte um folgende Stücke bitten: Nr. 2, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 17. Dazu kommt der Sosylos (1), der neu verglast werden soll. Ich habe gestern H(er)rn Schubart gesprochen, der sich gern bereit erklärte, |² die Sendung anzunehmen und im Museum aufzubewahren. Die Adresse ist:

Herrn Prof. Dr Wilhelm Schubart | Kustos bei den Staatl. Museen | Berlin. C. 2 | Staatliche Museen | Papyrus-Abteilung

Indem ich Ihre freundlichen Osterwünsche herzlich erwidere, bin ich | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken.

Am 20. April wurden die Papyri verschickt und gelangten am 23. April wohlbehalten im Berliner Museum an, wie Wilcken am darauffolgenden Montag Handwerker bestätigt:

Postkarte Wilckens an Handwerker, datiert 25.4.33. Handschr. Original mit Poststempel vom 25.4.1932 und Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 26.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor! | Als ich vorgestern, am Sonnabend im Museum an den Papyri arbeitete, kam zu meiner Freude Ihre Kiste mit den 10 Würzb(urger) Papyri an. Sie sind alle heil angekommen. Die beigelegte Quittung über den Empfang der Sendung wird Ihnen H(er)r Prof. Schubart übersandt haben. Ich aber möchte Ihnen herzlich danken, daß Sie meine Bitte so freundlich erfüllt haben. In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ergebener UWilcken.

Danach verzögert sich jedoch erneut der Fortgang der Arbeiten, so daß am 20. Juli Schubart um Verlängerung der Leihfrist für die Originale ersuchte:

Brief Schubarts an Handwerker, datiert „Berlin C 2 20/7/33“. Masch. Original mit Unterschrift und Briefkopf der Ägyptischen Abteilung, Papyrussammlung der Staatlichen Museen. Darauf Eingangsstempel der UB Würzburg vom 21.7.33 (Eingangsnummer 986) und der Entwurf der Antwort.

Sehr geehrter Herr Direktor,

Herr Geheimrat Wilcken sagt mir heute, dass er die am 24/4 d(ieses) J(ahres) hierher übersandten Würzburger Papyri, nämlich 10 Stück, deren Rücksendung jetzt fällig ist, noch weiter hier bearbeiten möchte, um ganz fertig damit zu werden. Seine Arbeit ist auch dadurch verzögert worden, dass der Berliner Papyruskonservator Dr. Ibscher, auf dessen Hilfe Herr Wilcken für die Zusammenfügung gerechnet hatte, durch lange Krankheit fern gehalten worden ist und erst im September seine Arbeit wieder aufnehmen wird.

Daher erbittet Herr Wilcken eine neue Frist bis zum 1. Dezember d(ieses) J(ahres).

Wollen Sie mir, bitte mitteilen, ob Sie damit einverstanden sind, dass die bezeichneten Würzburger Papyri bis zum 1/12/33 weiter hier aufbewahrt werden.

In ausgezeichneter Hochachtung | Schubart

Wieder stimmte Handwerker postwendend zu:

Brief Handwerkers an Schubart, datiert „W(ürzburg) 21.7.33“. Handschr. Entwurf auf Wilckens Brief vom Vortag.

Hochgeehrter Herr Professor!

Gern verlängere ich die Leihfrist für unsere 10 Papyri [[b]], wie gewünscht, bis 1.12.33.

In größter Hochachtung | H(andwerker)

Insofern wäre Wilckens gleichlautende Bitte, die er zwei Tage später selbst noch einmal an Handwerker schrieb, nicht nötig gewesen. Er unterstrich sie mit einer weiteren Erklärung und dem Sonderdruck der Sitzungsberichte:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „23. Juli 33“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek vom 24.7.1933 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Am Ende die Notiz „beantwortet 24.7.33 ENo 1009“.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Ich möchte mir erlauben, Ihnen anbei 2 Abzüge aus unseren Sitzungsberichten mit dem vorläufigen Bericht über meinen Vortrag über Ihre Würzburger Papyri zu übersenden.

Der Bericht in SPAW 1933: 474 lautet für die XII. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 6. April: „1. Hr. Wicken Sprach über die Würzburger Papyrussammlung (Abh(andlung)): Der Vortragende berichtete zunächst über die Entstehung dieser Sammlung, die im Anfang unseres Jahrhunderts durch eine hochherzige Stiftung von Friedrich Prym, weiland Professor der Mathematik an der Universität Würzburg, begründet und durch Vermittlung des Deutschen Papyruskartells bis zum Ausbruch des Weltkrieges für die Universität Würzburg erworben worden ist. Von den literarischen Texten ist bisher nur das Sosylos-Fragment (Hermes 41 [1906] S. 103ff.) veröffentlicht worden. Hr. Wilcken legte jetzt vor: 1. Scholienexzerpte zu Euripides‘ Phönissen auf einem Kodexblatt aus dem VI. Jahrhundert, 2. ein Fragment einer Schrift περὶ τρόπων aus dem II. Jahrhundert n. Chr. und 3. ein Fragment einer christlichen Liturgie aus dem III. Jahrhundert. Diese drei literarischen Stücke sowie eine Auswahl wertvollerer Urkunden der Sammlung, über die er in seinem Vortrag berichtet hat, sollen in den Abhandlungen der Akademie veröffentlicht werden.“

Nachdem ich inzwischen andere dringende Arbeiten erledigt habe, bin ich jetzt seit einiger Zeil vorwiegend mit der Ausarbeitung der Publikation für die Abhandlungen unserer Akademie |² beschäftigt. Leider sind die Arbeiten an Ihren Papyri dadurch z(um) T(eil) gehemmt worden und werden es noch, daß unser Herr Ibscher, von dessen Erkrankung ich Ihnen schon im April schrieb, immer noch nicht arbeitsfähig ist. Er ist jetzt in einem Sanatorium in Thüringen zur Erholung. Wir hoffen, daß er im September wieder in’s Museum kommen wird. Da sich meine Arbeiten für die Publikation doch noch |³ weiter hinaus ziehen, hat Herr Prof. Schubart Sie neulich um Verlängerung der Erlaubnis für die Aufbewahrung der hierher gesandten Originale gebeten. Ich darf wohl annehmen, daß Sie es freundlichst gestatten.

Mit bestem Gruß | Ihr ergebenster | UWilcken

Die Verzögerung hatte jedoch auch ihr Gutes. Denn Wilcken holte namentlich für die ihm ferner liegenden literarischen Papyri die Expertise von Fachkollegen ein: Noch vor dem Akademievortrag hatte er Eduard Schwartz (1858–1940), München, konsultiert, den Herausgeber der Scholien zu Euripides, Phoenissen (zu P.Würzb. 1).

Vgl. P.Würzb.: 8. Erhalten sind sechs Briefe Wilckens aus den Jahre 1933–1934.

Für P.Würzb. 2 konnte er sich auf die Nachrichten von Johannes Stroux (1886–1954), damals ebenfalls in München, stützen, für P.Würzb. 3 auf Hans Lietzmann, mit dem er im Frühling 1933 gemeinsam am Original arbeitete (P.Würzb.: 32).

Bei den dokumentarischen Texten griff Wilcken hingegen nur vereinzelt auf Auskunft und Rat von Kollegen zurück, etwa bezüglich einer Frage zur arabischen Verwaltung, die er Adolf Grohmann (1887–1977) vorlegte (P.Würzb.: 104). Lediglich die Verzögerung der Arbeiten erlaubte aber seine Rückfrage bei Harold Idris Bell (1879–1967) nach Belegen für einen antinoitischen Gau. Denn der Anlaß zur Rückfrage lag in Bells Aufsatz, der im Septemberheft von Aegyptus XIII (1933) erschienen war. Der ganze Jahrgang war als Festgabe anläßlich Wilckens 70. Geburtstag konzipiert, und Aristide Calderini (1883–1968) hatte Wilcken das zweite Heft der Zeitschrift nach dessen Vortrag auf dem 3. Internationalen Papyrologentag (München, 4.-7.9.1933) überreicht.

Vgl. Berneker 1934: 460.

In seinem Beitrag hatte Bell fünf antinoitische Urkunden aus einer größeren Gruppe vorgelegt und weitere Texte erwähnt.

Bell 1933.

Wilcken schrieb ihm daraufhin ausführlich am 22. November 1933:

Brief Wilckens an Bell, datiert „22.11.33“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 206–207.

Dear Mr. Bell!

Ihre antinoitischen Papyri, die Sie in Aegyptus XIII publiciert haben, habe ich mit größtem Interesse gelesen. Sie haben mich um so mehr gefesselt, als ich jetzt unter den Würzburger Papyri, die ich in den Abhandlungen unserer Akademie veröffentlichen will, auch 2 Texte aus Antinoopolis zu publicieren habe. Diese Arbeiten haben mich schon im Laufe dieses Sommers zu einer ketzerischen Hypothese geführt, über die ich Ihnen schon heute vertraulich eine Mitteilung machen möchte, da ich eine Bitte daran anschliessen möchte.

Trotz der entgegenstehenden Autorität des Claud. Ptolemaeus, der IV 5, 61 vom νομὸς Ἀντινοίτης spricht, glaube ich nämlich, aus dem bisher vorliegenden Aktenmaterial den Schluß ziehen zu sollen, daß es einen |² solchen Gau überhaupt nicht gegeben hat, und daher auch keinen στρατηγὸς Ἀντινοίτου νομοῦ. Tatsächlich wird ein solcher Gau nur in den späteren Texten, aus dem VI. Jahrh(undert) genannt, was ja aber nichts für das II. oder III. Jahrh(undert) beweist, da es in jener Spätzeit überhaupt keine Gaue im alten Sinne mehr gegeben hat. Ich glaube vielmehr, daß Hadrian, als er Antinoopolis gründete, den auf dem Osten gelegenen Teil des Hermopolites nicht von diesem abtrennte, wie wir bisher annahmen, sondern zur νομαρχία unter dem νομάρχης Ἀντινόου machte, und daß dieser östliche Teil nach wie vor ein Teil des hermopolitischen Gaues blieb. Darum blieb auch die alte Bezeichnung Ἑπτὰ νομοὶ καὶ Ἀρσινοίτης |³ bestehen, da ja kein neuer Gau hinzugekommen war. Eine solche Hypothese ist, wiewohl ich nicht nur negative, sondern auch positive Argumente zu haben glaube, natürlich sehr gefährlich, da sie durch neue Texte glatt widerlegt werden könnte.

Da Sie nun l.c. sagen, daß Sie noch viele unpublicierte antinoitische Papyri aus Tebtynis in London haben, wäre ich Ihnen herzlich dankbar, wenn Sie mir meine Frage ganz kurz beantworten wollten, ob in diesen Texten etwa ein Ἀντινοίτης νομός oder ein στρατηγὸς Ἀντινοίτου begegnet. Ein einziges sicheres Zeugnis würde genügen, meinen Lösungsversuch zu beseitigen. Natürlich würde es mich auch sehr interessieren, wenn Sie etwa Einwendungen gegen diese Hypothese zu machen hätten. | 4

Mit der Versicherung, daß es mir eine große | Freude war, Sie in München wiederzusehen,

Bell hatte wie Wilcken auf dem 3. Internationalen Papyrologentag vorgetragen, vgl. Bell 1934.

bin ich | mit den besten Grüßen | Ihr | UWilcken

Bell teilte daraufhin nach Durchsicht seiner früheren Abschriften mit, daß er in der Tat keine Erwähnung eines antinoitischen Gaues in früherer Zeit gefunden habe. Er liefert ferner zwei Zitate aus bisher unveröffentlichten Texten, zum einen, als „very strong evidence in favour of your theory“ die Herkunftsangabe ἀπὸ Ἀλαβαστρίνης τῆς Ἀντινόου νομαρχίας aus Inv. Nr. 2269 (2. Jahrhundert), zum anderen den Passus ἀπὸ κώ[μης --]ου τοῦ Ἀντινοΐτου νομοῦ aus dem Jahr 302 (Inv. Nr. 2288).

Bells Brief ist nicht erhalten. Die obigen Angaben beruhen auf Wilckens Bericht in P.Würzb.: 55. P.Lond. Inv. 2269 ist von Gonis 2023, P.Lond. Inv. 2288 von Fogarty 2023 ediert.

Erst am 7. Januar kommt Wilcken dazu, sich zu bedanken:

Brief Wilckens an Bell, datiert „7.1.34“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 208–210.

Lieber Herr Bell!

Ich war in den letzten Wochen so an meine Arbeiten gefesselt, daß ich es immer wieder aufschob, Ihnen zu schreiben. Ich bitte sehr um Entschuldigung, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihren Brief zu sagen, der mir für meine Arbeit so außerordentlich wertvoll gewesen ist. Ich bin Ihnen um so dankbarer, als es bei der Ueberfülle Ihrer Amtsgeschäfte eine sehr große Mühe für Sie war, Ihre früheren Notizen und Transcriptionen der Antinoopolis-Papyri herauszusuchen, um meine Frage beantworten zu können.

Es war mir eine große Freude und Beruhigung, von Ihnen zu hören, daß Sie in den älteren Texten kein Beispiel für einen Ἀντινοίτης νομός oder στρατηγός gefunden |² haben, und daß Sie geneigt sind, für diese Zeit meiner Hypothese, daß es keinen antin(oitischen) Gau gegeben habe, zuzustimmen. Andrerseits ist es mir von großem Wert, daß Sie mir für 302 ein sicheres Beispiel einer Erwähnung dieses Gaues mitteilen konnten. Damit klärt sich zugleich die mehrfache Nennung dieses Gaues im VI. Jahrh(undert). Sie haben gewiß Recht mit der Annahme, daß erst im III. Jahrh(undert) diese Neuerung eingeführt ist. Ich möchte glauben, daß Diokletian dies getan hat bei seiner durchgreifenden Neuorganisation von Aegypten. Doch das hängt von weiterem Material ab.

Sehr diskutabel ist die Frage, wie nun die von Hadrian geschaffene νομαρχία Ἀντ(ινόου) sich zu dem Ἑρμοπ(ολίτης) νομός verhalten hat. In diesem Punkte habe ich Bedenken, mich Ihrer Ansicht anzuschließen, daß diese νομαρχία dem Ἑρμοπ(ολίτης) nicht subordiniert, sondern coordiniert gewesen |³ sei. Ich hatte mir darüber Anfangs auch sehr den Kopf zerbrochen. Mir scheint aber doch Manches für die erstere Alternative zu sprechen, natürlich in dem Sinne, daß die Stadt Antin(oopolis) in ihren eigenen Angelegenheiten von dem στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου νομοῦ) ebenso eximiert war, wie wir es bisher für den στρ(ατηγὸς) Ἀντ(ινόου) angenommen hatten. Wir kennen doch auch Nomarchien nur innerhalb von Gauen. Für meine Theorie scheint mir Oxy. VIII 1100 (n(ach) 206) zu sprechen, wo ich in Z. 23 (mit Heranziehung von PSI III 199,17) (n(ach) 203!) ergänzen möchte: Προετέθη ἐν Ἀντινόου πόλ(ει) ὑπὸ Ἀρί[ου νομάρχου Datum]. Danach hat der Praefect sein Edikt an den στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου) zur Publikation geschickt (Z. 1), dieser aber hat ⟦es⟧ dem Nomarchen zur Publikation in der Stadt ein Exemplar übersandt. Da haben wir also ein Beispiel für den amtlichen Verkehr zwischen dem στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου) und dem νομάρχ(ης) Ἀντινόου. Wenn die Nomarchie selbständig außerhalb | 4 des Hermopolites stünde, so hätte der Praefect ein besonderes Exemplar an den Nomarchen schicken müssen. In diesem Falle hätte man aber in Antinoopolis nicht die Aufforderung an die Strategen ausgehängt. Mir scheint dies ein gutes Argument zu sein.

Außerdem glaube ich, daß ⟦das⟧ Ihr Dorf Ἀλαβαστρίν(ης) τῆς Ἀντ(ινόου) νομ(αρχίας) doch identisch sein muß mit dem mehrmals (von Diokletian!) genannten Dorf Ἀλαβ(αστρίνη) τοῦ Ἑρμοπ(ολίτου νομοῦ), denn beide müssen auf dem Ostufer bei den Alabasterbrüchen von Hat-nab gelegen haben, da es auf dem Westufer keinen Alabaster gibt. Vgl. auch Flor. 3, 6, wo offenbar nur ein Dorf Ἀλαβ(αστρίνη) bekannt ist. Doch ich kann das hier nur in Kürze andeuten.

Jedenfalls sind das schwierige Probleme, zu deren völliger Klärung noch weiteres Material erwünscht wäre. Es wäre schön, wenn Sie später bei genauer Durcharbeitung Ihrer | 5 Ant(inoopolis-) Papyri noch weitere Angaben fänden, die für das Gesamtproblem – so oder so – von Nutzen wären.

Zum Schluß möchte ich Ihnen noch bestens gratulieren zu der Erwerbung des Sinaiticus für das British Museum. Deissmann erzählte mir, daß er in einer Zeitung oder Zeitschrift ein Bild gesehen hat, auf dem Sie und Kenyon bei der Empfangnahme der Handschrift abgebildet waren. Das ist eine stolze Erwerbung, über die wir uns alle mitfreuen, da der Sinaiticus uns damit näher gerückt ist.

Indem ich Ihnen, lieber Herr Bell, für Ihre mir so außerordentlich wertvollen Auskünfte nochmals herzlichst danke, bleibe ich, mit den besten Wünschen für ein glückliches und gesundes neues Jahr | Ihr Ihnen ganz ergebener | Ulrich Wilcken

Drei Monate später war der Band abgeschlossen und im Erscheinen, wie Wilcken am 17. April 1934 an Handwerker berichtet:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „17.4.34“. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr verehrter Herr Direktor!

Meine Arbeit über die Würzburger Papyri ist nun glücklich fertiggestellt und wird in wenigen Tagen zur Ausgabe kommen. Sie sind natürlich unter den Ersten, die ein Exemplar erhalten sollen. Es wird Ihnen von der Akademie zugeschickt werden. Hätte ich es selbst expedieren können, so hätte ich gern Gruß und Dank hinzugefügt, aber ich mußte es der Akademie überlassen, da ich am nächsten Sonnabend den 21. c(u)r(rentis) meine schon lange geplante Reise nach Italien (auf ca. 6 Wochen) antreten werde. Sollte es Ihnen erwünscht sein, so kann ich Ihnen nach meiner Rückkehr auch noch 1–2 Exemplare für Ihre Bibliothek schicken. |²

Ich war heute noch einmal im Museum, um mit H(er)rn Schubart und Ibscher über die Rücksendung der Originale zu sprechen. Zunächst sollen ja die von mir publicierten Texte möglichst bald zurückgeschickt werden. Hr. Ibscher wird alles dazu Nötige tun. Ich habe auf jedem dieser publicierten Stücken auf kleinen Etiketten die Nr. meiner Publikation notiert (Würz. 1 etc, wie man sie citieren wird) und außerdem die Inventarnummern. Auch den publicierten Papyri, die nicht zu jenen 17 gehörten, die Sie schon inventarisiert haben, habe ich eine Inventarnummer gegeben (von 18 an). Für diese bedarf es keiner Inhaltsangaben, da Sie ja aus meiner Publikation alles Nötige entnehmen können. |³ Aber wenn wir Ihnen später die nicht publicierten Stücke senden, werde ich gern wieder wie bei jenen 17 Ihnen die nötigen Angaben für Ihr Inventar machen.

Briefe werden mich vom nächsten Sonnabend an in den nächsten Wochen nicht erreichen können, da ich der Post keine Adresse angeben kann. Wenn ich aber um den 1. Mai nach Palermo komme (auf einige Tage), werde ich mich auf der Post nach Postrestante (fermo Posta) umsehen. Ich bemerke dies für den Fall, daß Sie mir etwas mitteilen wollten.

Indem ich Ihnen, sehr verehrter Herr Direktor noch einmal herzlich dafür danke, daß Sie meine Arbeit so freundlich gefördert haben, bin ich mit besten Grüßen | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken

Damit lag weniger als zweieinhalb Jahre nach Handwerkers erstem Schreiben an Wilcken der erwünschte Editionsband vor. Bald nach dem Eintreffen des angekündigten Exemplars berichtete dieser an den Rektor der Universität Würzburg, den zum 15.10.1933 ernannten Rechtsmediziner Herwart Fischer (1885–1938) von diesem Erfolg seiner Bemühungen:

Brief Handwerkers an Fischer, ohne Datum. Handschr. Entwurf mit „ANo. 561“ in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Dazu kommt ein Nachtrag am rechten oberen Rand: „Das Vorwort gibt kurzen Bericht über die Stiftung. Ich kann vorläufig nur das mir persönlich übersandte Exemplar vorlegen.“

Euere Magnifizenz!

Herr Geheimrat Prym hat seinerzeit Herrn Geheimrat Wilcken, als er noch unserer Universität angehörte, eine beträchtliche Summe zum Ankaufe von Papyri übergeben, die der Universitäts-Bibliothek zu ständiger Bewahrung über⟦gebe⟧lassen werden sollen. Die Summe ist verbraucht, ⟦bzw.⟧ zum Teil durch die Inflation vernichtet. 30 Papyri haben wir bereits erhalten, der Rest wird noch in Berlin bearbeitet.

Ich freue mich mitteilen zu können, daß Herr Geheimrat Wilcken soeben in den Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse 1933 Nr. 6 (Berlin 1934) 123 Seiten starke und mit 3 ausgezeichneten Facsimiles ausgestattete „Mitteilungen aus der Würzburger Papyrussammlung“ herausgegeben hat. Die Person des Bearbeiters wie ⟦der Ort⟧ die Einreihung der Veröffentlichung in die Akademie Abhandlungen sind für uns gleich ehrenvoll.

Hochachtungsvoll und mit Heil Hitler!

Dieser Zusatz ist wohl dem Adressaten Fischer geschuldet, der – seit 1930 NSDAP-Mitglied – sein Rektorat nach dem Führerprinzip verwaltete, vgl. Herber 2002: 155–157. Gegenüber Wilcken wäre dergleichen wohl fehl am Platze gewesen, vgl. Becht-Jördens 2023: 192–194 und 197–201, zu seiner politischen Haltung.

H(andwerker)

Mit dem Erscheinen des Bandes war für Wilcken, zumal angesichts zahlreicher anderer Verpflichtungen, die Editionstätigkeit Würzburger Stücke abgeschlossen, wenn er auch wie versprochen bei den in der Folge von Ibscher noch restaurierten Papyri eine Bestimmung für das Inventar vornahm. Da der Editionsband Jahre vor Abschluß der Restaurierung erschien, konnten freilich erst später von Ibscher bearbeitete Stücke nicht mehr berücksichtigt werden und blieben daher auch wichtige Stücke unveröffentlicht.

Literaturverzeichnis

Audring, G. (ed.) (1994) Ulrich Wilcken. Briefe an Eduard Meyer. 1889 – 1930. Konstanz.

Becht-Jördens, G. (2023) ”‘Aus Teilen nur erkennen wir.‘,“ in L. Berkes, W. G. Claytor und M. Nowak (Hg.), Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens. Wiesbaden: 187–218.

Bell, H. I. (1933) ”Diplomata Antinoitica,“ Aegyptus 13: 514–528.

Bell, H. I. (1934) ”Papyrology and Byzantine Studies,“ in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 314–326.

Berneker, E. (1934) ”Bericht über den Verlauf des 3. Internationalen Papyrologentages,” in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 459–463.

Essler, H. (2009) ”Zur Geschichte der Würzburger Papyrussammlung,“ Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 33: 165–192.

Essler, H. und Hermes-Wladarsch, M. (2015) ”Zur Erwerbung der Bremer Papyrussammlung und des Apollonios-Archivs,” APF 38: 431–481.

Fogarty, S. (2023), Tyche 38.

Gonis, N. (2023) ”An Antinoite Document of 181–183,“ Pylon 4.

Herber, F. (2002) Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Leipzig.

Ibscher, R. (1959) ”Hugo Ibscher zum Gedächtnis,“ Altertum 5: 183–189.

Krutzsch, M. (1994) ”‘Geduld will beim Werke sein‘. Zur Erinnerung an Hugo Ibschers Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in der Berliner Papyrussammlung 1894,“ APF 40: 165–166.

Lüders, H. (1933) ”Zur Geschichte des ostasiatischen Tierkreises,“ SPAW: 998–1022.

Mälzer, G. (1987) Otto Handwerker (1877 - 1947). Bibliothekar und Historiker. Würzburg.

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Wilckens Arbeit am Editionsband der Würzburger Papyri (P.Würzb.)

Holger Essler

Universität Würzburg

holger.essler@uni-wuerzburg.de

Während seiner Zeit als Ordinarius für Alte Geschichte in Würzburg (1900–1903) hatte Wilcken von Friedrich Prym 3500 (französische) francs zum Aufbau einer Papyrussammlung erhalten, die 1903–1909 in mehreren Ankäufen über das Deutsche Papyruskartell erworben wurde. Die erste Erwerbung traf ein, als Wilcken bereits nach Halle wegberufen war. Mit Zustimmung des Stifters verblieben die Originale zunächst zur Bearbeitung bei Wilcken und folgten seinem Weg, der ihn 1906 nach Leipzig, 1912 nach Bonn, 1915 nach München und schließlich 1917 nach Berlin führte. Zur Verwendung im akademischen Unterricht übergab Wilcken in dieser Zeit die nachmaligen ersten 17 Inventarnummern an die Würzburger Universitätsbibliothek: 1908 Inv. 1–3 und 4–9, sowie 1915 Inv. 10–17.

Vgl. Essler 2009: 169–173.

Anhand seiner Korrespondenz läßt sich die Arbeit in den nächsten Jahren bis zum Erscheinen des Editionsbandes (P.Würzb.) nachzeichnen.

Abgedruckt sind Dokumente folgender Institutionen: 1) British Library, London (BL). Meine Transkriptionen der Folia 206–210 aus Add. MS 59522 beruhen auf Xerokopien, die mir N. Gonis freundlichst zur Verfügung stellte; 2) Universitätsbibliothek Würzburg, Archiv der UB (ArchUBW). Die Wiedergabe der Archivunterlagen folgt der Orthographie und der Zeichensetzung der Originale, jedoch nicht den dortigen Zeilenumbrüchen. Änderungen sind nach dem Leidener Klammersystem gekennzeichnet, Zeichenstand und Interpunktion folgen dem Original. Seitenumbrüche sind mit | und hochgestellter Seitenzahl wiedergegeben, Zeilenumbrüche in den Grußformeln mit einfachem |.

Text

Mit Wilckens Übersiedelung nach Berlin gelangten die restlichen Papyri schließlich in die dortige Papyrussammlung und in die Hände Hugo Ibschers, der die weitere Konservierung übernahm. Wilcken behielt sich weiterhin die Publikation der Stücke vor, wie seine Antwort vom 11. Juni 1921 auf eine – nicht erhaltene – Anfrage von Gustav Soyters (1883–1965) zeigt, der 1921 in Würzburg für Mittel- und Neugriechische Philologie habilitiert wurde und dort bis 1927 als Privatdozent, dann bis 1936 als nichtplanmäßiger außerordentlicher Professor lehrte:

Brief Wilckens an Soyter, datiert 11. Juni 21. Masch. Abschrift in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr College!

Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich Ihre Anfrage so lange unbeantwortet gelassen habe. Es ist mir sehr peinlich, dass ich nicht eher zum Schreiben kam. Was die Publikation der Würzburger Papyri betrifft, so ist ausser dem Sosylos und dem von Ihnen schon erwähnten Schreiben betreffs Antinoopolis (= W. Chrestomathie n. 26) noch ein kleines Stück aus Antinoopolis publiciert bei E. Kühn, Antinoopolis (Leipz. Diss. 1913) S. 146 (vom Jahre 158 nach Chr.). Weiteres ist bisher meines Wissens nicht ediert worden. Vorausgesetzt, dass Herr Ibscher Zeit findet, die Würzburger Papyri in Angriff zu nehmen, hoffe ich, bald weitere Stücke eingerahmt nach Würzburg schicken zu können. Dann wird es sich auch lohnen, mal eine kleine Publikation der Würzburger Papyri zu machen, die ich schon lange plane. Dass Sie die dortige Sammlung für den Unterricht benutzen, höre ich mit grossem Vergnügen.

In vorzüglicher Hochachtung | Ihr ergebener UWilcken

Nach der Abfassung dieses Briefes scheint Wilcken ein Jahrzehnt nicht mehr an der Sammlung gearbeitet zu haben. Jedenfalls gab es wohl weiter keine Korrespondenz mit den Interessenten in Würzburg. Denn als am 30. Dezember 1931 der damalige Leiter der Universitätsbibliothek, Otto Handwerker (1877–1947),

Zu Handwerker vgl. Mälzer 1987. In seinem Lebensrückblick schreibt Handwerker (Mälzer 1987: 50) über Wilcken, er sei „der Würzburger Universität, der er selbst einst für einige Jahre angehört hat, ihrer Bibliothek und mir persönlich für die Dauer freundlich verbunden“ gewesen. Handwerker hatte 1899 die Lehramtsprüfung in Deutsch, Geschichte und Geographie in Würzburg abgelegt, dann weitere drei Semester dort diese Fächer studiert und an einer Dissertation als Schüler des Historikers Theodor Henner (1851–1928) gearbeitet, der seit 1886 außerordentlicher Professor, ab 1898 Ordinarius in Würzburg war. Am 1.1.1901 trat er als II. Assistent in die Würzburger Universitätsbibliothek ein (vgl. Mälzer 1987: 2, 6–7, 112). Wilcken war vom Wintersemester 1900 bis März 1903 in Würzburg (vgl. Audring 1994: 17, 53 und 56 Anm. 1).

die Angelegenheit wieder aufnimmt, beruft er sich als letztem Stand auf jenes Schreiben:

Brief Handwerkers an Wilcken, datiert, Würzburg, den 30. XII. 1931. Masch. Entwurf mit handschr. Zusätzen in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Hochgeehrter Herr Geheimrat!

Sie hatten die Güte, von dem für unsere Bibliothek bestimmen Papyri der Friedrich Prym-Stiftung uns bisher in den Jahren 1908–15 insgesamt 17 Stück zu übersenden. Wie wir aus Ihrer Chrestomathie no.26 und aus Ihren brieflichen Aeusserungen vom 24.11.1910 sowie vom 6.9.1915 entnehmen, stehen noch eine Anzahl weiterer Papyri aus. In einem Schreiben an Herrn Prof. Dr. G. Soyter vom 11.6.1921 kündigten Sie freundlichst die Uebersendung dieser Stücke an uns an. Da sich nun hier |² wieder lebhafteres Interesse an unserer Papyrussammlung regt ⟦und um die Angelegenheit nun nach einem Menschenalter überhaupt zum Abschluss zu bringen,⟧ bitten wir Sie höflichst, uns den Rest der Papyri ⟦samt Schlussabrechnung⟧ gütigst übersenden zu wollen.

⟦Auch wären wir Ihnen sehr dankbar um⟧ ⟦Da⟧ Unsere Akten versagen, daher wären wir für gütigen Bericht über den Zeitpunkt, die Veranlassung und die näheren Bestimmungen der Stiftung sehr dankbar, ebenso für gef(ä)l(lige) Auesserung über den Stand der Vorbereitungen zur Gesamtpublikation der Papyri, die ja, wie Sie seinerzeit mitteilten, von Ihnen selbst geplant war.

In ausgezeichneter Hochachtung und mit den besten Wünschen zum eben herannahenden Neuen Jahre | ⟦sehr erg(eben)⟧ ganz ergeben | OH(andwerker)

Wilcken bittet am 16. Januar 1932 um einigen Aufschub, verspricht aber eine eingehende Behandlung der Papyri in nächster Zeit. Damit stellt er – wohl in Reaktion auf Handwerkers Brief – die Arbeit an weiteren, seit langem versprochenen Werken wie dem Editionsband der Bremer Papyri, die 1936 erschienen,

Die Inhaltsbestimmung der ganzen Sammlung hatte Wilcken bereits 1914 vorgenommen und wollte noch in diesem Jahr auch mit der Veröffentlichung beginnen, vgl. Essler und Hermes-Wladarsch 2015: 477–478.

und dem zweiten Band der Urkunden der Ptolemäerzeit, deren Druck 1935 begann, hintan. Seine Antwort gibt auch einige Hinweise auf die damalige Aufbewahrung der Papyri, die anscheinend weitgehend unrestauriert in den Ankaufskisten im Berliner Museum lagen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 16.1.32. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Entschuldigen Sie, daß ich erst heute dazu komme, Ihr freundliches Schreiben vom 30. 12. 31 zu beantworten.

Ihr Brief hat die Wirkung gehabt, daß ich mich entschlossen habe, sobald die Osterferien beginnen, mich einmal gründlich mit den Würzburger Papyri zu beschäftigen. In diesen letzten Semesterwochen, die erfahrungsgemäß immer besonders belastet sind, würde ich keine ruhige Zeit |² dazu finden. Aber ich freue mich darauf, in den Osterferien an diese Aufgabe zu gehen, zumal nachdem ich vor einigen Tagen im Museum die 9 Blechschachteln, die unsere Ankäufe enthalten, wieder einmal durchgesehen habe: Es sind neben den vielen wertlosen Fetzen, die aus praktischen Gründen mitgekauft werden mußten, doch noch manche Stücke darunter, die von wissenschaftlichem Wert sind. Einzelne |³ sind bereits vor längeren Jahren von Dr. Ibscher zwischen Glasplatten gelegt worden, einige andere habe ich ihm neulich zur Bearbeitung übergeben, damit ich sie in den Osterferien behandeln kann. Ich bitte Sie, mir zu gestatten, daß ich die Fragen, die Sie am Schluß Ihres Briefes an mich richten, auch dann erst beantworte, wenn ich diese Arbeit gemacht habe. Daß ich in diesen meinen Berliner Jahren, | 4 die mich z(um) T(eil) auf ganz andere Gebiete geführt haben, gar nicht dazu gekommen bin, mich mit den Würzburger Papyri zu beschäftigen, bedaure ich aufrichtig. Aber ich will mich jetzt bemühen, das Versäumte nachzuholen, und als Emeritus hoffe ich ja auch, bald mehr freie Zeit für mich zu gewinnen.

Indem ich Ihre freundlichen Glückwünsche für das neue Jahr mit bestem Dank erwidere, bin ich | in ausgezeichneter Hochachtung | Ihr ergebener | UWilcken

Verschiedene Faktoren und namentlich die Erkrankung Hugo Ibschers (1874–1943),

Zu Ibscher vgl. den Nachruf seines Sohnes in Ibscher 1959 und die Würdigung von Krutzsch 1994.

auf dessen Restaurierungskunst Wilcken gerechnet hatte, verzögern den Abschluß des von Handwerker gewünschten Berichts bis in den Sommer,

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „2. Aug(ust) 32“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 5.8.32 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a: „Sehr geehrter Herr Direktor! | Ich hatte die Absicht, Ihnen noch vor Antritt meiner Ferienreise meinen Bericht über die Würzburger Papyri zu schicken, in denen ich in diesem Sommer viel gearbeitet habe. Als ich aber heute in das Museum kam, um von Herrn Dr. Ibscher, der die Papyri unter Glas bringt, noch einige notwendige Auskünfte zu erhalten, erfuhr ich zu meinem Bedauern, daß er vor wenigen Tagen in Urlaub gegangen |² ist und zur Zeit nicht erreichbar ist. Da ich auf diese Auskünfte für meinen Bericht nicht verzichten kann, so bitte ich Sie, freundlichst zu entschuldigen, wenn ich Ihnen meinen Bericht erst nach der Rückkehr von meiner Ferienreise, im Laufe des Septembers zuschicke. | In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken“.

so daß Wilcken ihn erst am 27. September 1932 abschicken kann.

Abgedruckt in Essler 2009: 169–172.

Hingegen schreitet die Edition voran und mündet am 6. April 1933 in einen Vortag vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Tags darauf informiert Wilcken Handwerker über den Vortrag und den Plan, den Editionsband in den Abhandlungen der Akademie zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck bat er auch um leihweise Überlassung einiger in Würzburg aufbewahrter Stücke, um die Originale für die Edition erneut zu vergleichen:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 7.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 8.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Zu meiner Freude kann ich Ihnen mitteilen, daß ich gestern den Ihnen in Aussicht gestellten Vortrag über die Würzburger Papyrus-Sammlung in der Klassensitzung der Akademie gehalten habe. Eigentlich hatte ich den Vortrag schon am 9. März halten sollen, aber ein College bat mich, mit ihm zu tauschen,

Laut den SPAW 1933: 364, war der einzige Vortrag an diesem Tag von H. Lüders über den ostasiatischen Tierzyklus (abgedruckt als Lüders 1932).

und so habe ich erst gestern gesprochen.

Ich gab einen Ueberblick über die Entstehung und den Inhalt der Sammlung, und erhielt dann auf meinen Antrag die Erlaubnis, eine Auswahl der wissenschaftlich wichtigeren Stücke in den Abhandlungen der Akademie zu veröffentlichen.

Zu diesen sollen zunächst gehören die 3 literarischen Stücke, die alle drei von besonderem Interesse sind, nämlich 1) ein Codexblatt mit Scholienexcerpten zu Euripides‘ |² Phönissen aus dem VI. Jahrh., 2) ein Fragment einer Schrift περὶ τρόπων aus dem II. Jahrh. nach Chr. und 3) ein Fragment einer christlichen Liturgie aus dem III. Jahrhundert. Dazu sollen dann einige wichtigen Urkunden kommen.

Laut dem Bericht über Wilckens Vortrag in den SPAW 1933: 474 (abgedruckt unten in Anm. 19) über die Sitzung vom 6. April legte er in der Sitzung die drei literarischen Papyri vor und berichtete über eine Auswahl an Urkunden, die zusammen mit jenen in den Abhandlungen veröffentlicht werden sollten.

Es liegt nun im Interesse auch der Würzb(urger) Sammlung, daß ich mich bei der Auswahl der zu publicierenden Urkunden nicht nur auf die beschränke, die jetzt hier nachträglich praepariert sind, sondern daß ich auch einige wichtige Stücke von denen publiciere, die ich Ihnen bereits verglast abgeliefert habe. Dazu ist aber notwendig, daß ich diese im Original vor mir habe, denn wenn ich auch damals vor der Absendung mir Abschriften von den Texten gemacht habe, kann ich doch unmöglich nach diesen eine Publikation in der Akademie machen.

Ich möchte daher heute zunächst die Frage an Sie richten, ob Sie prinzipiell bereit wären mir einige Stücke von den |³ 17 bei Ihnen schon deponierten Papyri zum Zweck der Publikation auf einige Zeit zurückzuschicken. Ich würde empfehlen, falls Sie einverstanden sind, sie an das Berliner Museum an die ⟦Ad⟧ Adresse von Prof. W. Schubart, dem Custos der Papyrus-Abteilung, zu schicken. Als ich vor einiger Zeit mit Hrn. Ibscher darüber sprach, meinte er, daß eine solche vorübergehende Rücksendung (Einzelner) sich auch deshalb empfehlen würde, weil die Verglasung dieser Stücke - übrigens ⟦in⟧ meistens nicht von ihm, sondern von anderer, weniger geübter Seite - schon vor langen Jahren gemacht sei, so daß eine Nachprüfung und event(uell) neue ⟦Ver⟧ Praeparierung und Verglasung, die er sehr gern machen würde, sich vielleicht in einzelnen Fällen empfehlen würde.

Wenn Sie, sehr geehrter Herr Direktor, Sich prinzipiell einverstanden erklären würden, wie ich hoffe, so würde ich mir |4 dann erlauben, Ihnen in einem weiteren Brief die Liste der zu übersendenden Originale - ich denke etwa 8–9 - zu übersenden.

Ich kann übrigens hinzufügen, dass H(er)r Ibscher in den letzten Monaten sehr eifrig und mit schönem Erfolg an der Praeparierung der W(ürzburger) P(apyri) gearbeitet hat. Es sind, auch durch Zusammenfügung von Fragmenten, noch einige sehr hübsche Stücke herausgekommen. Leider ist er seit kurzem erkrankt und wird noch einige Zeit dem Museum fernbleiben müssen. Auch ich habe im letzten Halbjahr viel Zeit auf die W(ürzburger) P(apyri) verwendet, aber die Herstellung der Textpublikation mit Kommentaren wird noch viel Arbeit erfordern.

In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ergebener | UWilcken

Nachdem Handwerker sich postwendend mit der Übersendung einverstanden erklärt hatte, bat Wilcken am 13. April 1933 um Übersendung von zehn Inventarnummern:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert 13.4.33. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 15.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Darunter die handschr. Notiz „abgesandt 20.4.33.“

Sehr verehrter Herr Direktor! | Haben Sie schönen Dank für Ihr geschätztes Schreiben vom 8. c(u)r(rentis mensis). Ich freue mich sehr, daß Sie bereit sind, mir einige Originale zum Zweck der Publikation zurückzuschicken. Ich möchte um folgende Stücke bitten: Nr. 2, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 17. Dazu kommt der Sosylos (1), der neu verglast werden soll. Ich habe gestern H(er)rn Schubart gesprochen, der sich gern bereit erklärte, |² die Sendung anzunehmen und im Museum aufzubewahren. Die Adresse ist:

Herrn Prof. Dr Wilhelm Schubart | Kustos bei den Staatl. Museen | Berlin. C. 2 | Staatliche Museen | Papyrus-Abteilung

Indem ich Ihre freundlichen Osterwünsche herzlich erwidere, bin ich | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken.

Am 20. April wurden die Papyri verschickt und gelangten am 23. April wohlbehalten im Berliner Museum an, wie Wilcken am darauffolgenden Montag Handwerker bestätigt:

Postkarte Wilckens an Handwerker, datiert 25.4.33. Handschr. Original mit Poststempel vom 25.4.1932 und Eingangsstempel der Universitätsbibliothek Würzburg vom 26.4.33 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr geehrter Herr Direktor! | Als ich vorgestern, am Sonnabend im Museum an den Papyri arbeitete, kam zu meiner Freude Ihre Kiste mit den 10 Würzb(urger) Papyri an. Sie sind alle heil angekommen. Die beigelegte Quittung über den Empfang der Sendung wird Ihnen H(er)r Prof. Schubart übersandt haben. Ich aber möchte Ihnen herzlich danken, daß Sie meine Bitte so freundlich erfüllt haben. In vorzüglicher Hochschätzung | Ihr ergebener UWilcken.

Danach verzögert sich jedoch erneut der Fortgang der Arbeiten, so daß am 20. Juli Schubart um Verlängerung der Leihfrist für die Originale ersuchte:

Brief Schubarts an Handwerker, datiert „Berlin C 2 20/7/33“. Masch. Original mit Unterschrift und Briefkopf der Ägyptischen Abteilung, Papyrussammlung der Staatlichen Museen. Darauf Eingangsstempel der UB Würzburg vom 21.7.33 (Eingangsnummer 986) und der Entwurf der Antwort.

Sehr geehrter Herr Direktor,

Herr Geheimrat Wilcken sagt mir heute, dass er die am 24/4 d(ieses) J(ahres) hierher übersandten Würzburger Papyri, nämlich 10 Stück, deren Rücksendung jetzt fällig ist, noch weiter hier bearbeiten möchte, um ganz fertig damit zu werden. Seine Arbeit ist auch dadurch verzögert worden, dass der Berliner Papyruskonservator Dr. Ibscher, auf dessen Hilfe Herr Wilcken für die Zusammenfügung gerechnet hatte, durch lange Krankheit fern gehalten worden ist und erst im September seine Arbeit wieder aufnehmen wird.

Daher erbittet Herr Wilcken eine neue Frist bis zum 1. Dezember d(ieses) J(ahres).

Wollen Sie mir, bitte mitteilen, ob Sie damit einverstanden sind, dass die bezeichneten Würzburger Papyri bis zum 1/12/33 weiter hier aufbewahrt werden.

In ausgezeichneter Hochachtung | Schubart

Wieder stimmte Handwerker postwendend zu:

Brief Handwerkers an Schubart, datiert „W(ürzburg) 21.7.33“. Handschr. Entwurf auf Wilckens Brief vom Vortag.

Hochgeehrter Herr Professor!

Gern verlängere ich die Leihfrist für unsere 10 Papyri [[b]], wie gewünscht, bis 1.12.33.

In größter Hochachtung | H(andwerker)

Insofern wäre Wilckens gleichlautende Bitte, die er zwei Tage später selbst noch einmal an Handwerker schrieb, nicht nötig gewesen. Er unterstrich sie mit einer weiteren Erklärung und dem Sonderdruck der Sitzungsberichte:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „23. Juli 33“. Handschr. Original mit Eingangsstempel der Universitätsbibliothek vom 24.7.1933 in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Am Ende die Notiz „beantwortet 24.7.33 ENo 1009“.

Sehr geehrter Herr Direktor!

Ich möchte mir erlauben, Ihnen anbei 2 Abzüge aus unseren Sitzungsberichten mit dem vorläufigen Bericht über meinen Vortrag über Ihre Würzburger Papyri zu übersenden.

Der Bericht in SPAW 1933: 474 lautet für die XII. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 6. April: „1. Hr. Wicken Sprach über die Würzburger Papyrussammlung (Abh(andlung)): Der Vortragende berichtete zunächst über die Entstehung dieser Sammlung, die im Anfang unseres Jahrhunderts durch eine hochherzige Stiftung von Friedrich Prym, weiland Professor der Mathematik an der Universität Würzburg, begründet und durch Vermittlung des Deutschen Papyruskartells bis zum Ausbruch des Weltkrieges für die Universität Würzburg erworben worden ist. Von den literarischen Texten ist bisher nur das Sosylos-Fragment (Hermes 41 [1906] S. 103ff.) veröffentlicht worden. Hr. Wilcken legte jetzt vor: 1. Scholienexzerpte zu Euripides‘ Phönissen auf einem Kodexblatt aus dem VI. Jahrhundert, 2. ein Fragment einer Schrift περὶ τρόπων aus dem II. Jahrhundert n. Chr. und 3. ein Fragment einer christlichen Liturgie aus dem III. Jahrhundert. Diese drei literarischen Stücke sowie eine Auswahl wertvollerer Urkunden der Sammlung, über die er in seinem Vortrag berichtet hat, sollen in den Abhandlungen der Akademie veröffentlicht werden.“

Nachdem ich inzwischen andere dringende Arbeiten erledigt habe, bin ich jetzt seit einiger Zeil vorwiegend mit der Ausarbeitung der Publikation für die Abhandlungen unserer Akademie |² beschäftigt. Leider sind die Arbeiten an Ihren Papyri dadurch z(um) T(eil) gehemmt worden und werden es noch, daß unser Herr Ibscher, von dessen Erkrankung ich Ihnen schon im April schrieb, immer noch nicht arbeitsfähig ist. Er ist jetzt in einem Sanatorium in Thüringen zur Erholung. Wir hoffen, daß er im September wieder in’s Museum kommen wird. Da sich meine Arbeiten für die Publikation doch noch |³ weiter hinaus ziehen, hat Herr Prof. Schubart Sie neulich um Verlängerung der Erlaubnis für die Aufbewahrung der hierher gesandten Originale gebeten. Ich darf wohl annehmen, daß Sie es freundlichst gestatten.

Mit bestem Gruß | Ihr ergebenster | UWilcken

Die Verzögerung hatte jedoch auch ihr Gutes. Denn Wilcken holte namentlich für die ihm ferner liegenden literarischen Papyri die Expertise von Fachkollegen ein: Noch vor dem Akademievortrag hatte er Eduard Schwartz (1858–1940), München, konsultiert, den Herausgeber der Scholien zu Euripides, Phoenissen (zu P.Würzb. 1).

Vgl. P.Würzb.: 8. Erhalten sind sechs Briefe Wilckens aus den Jahre 1933–1934.

Für P.Würzb. 2 konnte er sich auf die Nachrichten von Johannes Stroux (1886–1954), damals ebenfalls in München, stützen, für P.Würzb. 3 auf Hans Lietzmann, mit dem er im Frühling 1933 gemeinsam am Original arbeitete (P.Würzb.: 32).

Bei den dokumentarischen Texten griff Wilcken hingegen nur vereinzelt auf Auskunft und Rat von Kollegen zurück, etwa bezüglich einer Frage zur arabischen Verwaltung, die er Adolf Grohmann (1887–1977) vorlegte (P.Würzb.: 104). Lediglich die Verzögerung der Arbeiten erlaubte aber seine Rückfrage bei Harold Idris Bell (1879–1967) nach Belegen für einen antinoitischen Gau. Denn der Anlaß zur Rückfrage lag in Bells Aufsatz, der im Septemberheft von Aegyptus XIII (1933) erschienen war. Der ganze Jahrgang war als Festgabe anläßlich Wilckens 70. Geburtstag konzipiert, und Aristide Calderini (1883–1968) hatte Wilcken das zweite Heft der Zeitschrift nach dessen Vortrag auf dem 3. Internationalen Papyrologentag (München, 4.-7.9.1933) überreicht.

Vgl. Berneker 1934: 460.

In seinem Beitrag hatte Bell fünf antinoitische Urkunden aus einer größeren Gruppe vorgelegt und weitere Texte erwähnt.

Bell 1933.

Wilcken schrieb ihm daraufhin ausführlich am 22. November 1933:

Brief Wilckens an Bell, datiert „22.11.33“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 206–207.

Dear Mr. Bell!

Ihre antinoitischen Papyri, die Sie in Aegyptus XIII publiciert haben, habe ich mit größtem Interesse gelesen. Sie haben mich um so mehr gefesselt, als ich jetzt unter den Würzburger Papyri, die ich in den Abhandlungen unserer Akademie veröffentlichen will, auch 2 Texte aus Antinoopolis zu publicieren habe. Diese Arbeiten haben mich schon im Laufe dieses Sommers zu einer ketzerischen Hypothese geführt, über die ich Ihnen schon heute vertraulich eine Mitteilung machen möchte, da ich eine Bitte daran anschliessen möchte.

Trotz der entgegenstehenden Autorität des Claud. Ptolemaeus, der IV 5, 61 vom νομὸς Ἀντινοίτης spricht, glaube ich nämlich, aus dem bisher vorliegenden Aktenmaterial den Schluß ziehen zu sollen, daß es einen |² solchen Gau überhaupt nicht gegeben hat, und daher auch keinen στρατηγὸς Ἀντινοίτου νομοῦ. Tatsächlich wird ein solcher Gau nur in den späteren Texten, aus dem VI. Jahrh(undert) genannt, was ja aber nichts für das II. oder III. Jahrh(undert) beweist, da es in jener Spätzeit überhaupt keine Gaue im alten Sinne mehr gegeben hat. Ich glaube vielmehr, daß Hadrian, als er Antinoopolis gründete, den auf dem Osten gelegenen Teil des Hermopolites nicht von diesem abtrennte, wie wir bisher annahmen, sondern zur νομαρχία unter dem νομάρχης Ἀντινόου machte, und daß dieser östliche Teil nach wie vor ein Teil des hermopolitischen Gaues blieb. Darum blieb auch die alte Bezeichnung Ἑπτὰ νομοὶ καὶ Ἀρσινοίτης |³ bestehen, da ja kein neuer Gau hinzugekommen war. Eine solche Hypothese ist, wiewohl ich nicht nur negative, sondern auch positive Argumente zu haben glaube, natürlich sehr gefährlich, da sie durch neue Texte glatt widerlegt werden könnte.

Da Sie nun l.c. sagen, daß Sie noch viele unpublicierte antinoitische Papyri aus Tebtynis in London haben, wäre ich Ihnen herzlich dankbar, wenn Sie mir meine Frage ganz kurz beantworten wollten, ob in diesen Texten etwa ein Ἀντινοίτης νομός oder ein στρατηγὸς Ἀντινοίτου begegnet. Ein einziges sicheres Zeugnis würde genügen, meinen Lösungsversuch zu beseitigen. Natürlich würde es mich auch sehr interessieren, wenn Sie etwa Einwendungen gegen diese Hypothese zu machen hätten. | 4

Mit der Versicherung, daß es mir eine große | Freude war, Sie in München wiederzusehen,

Bell hatte wie Wilcken auf dem 3. Internationalen Papyrologentag vorgetragen, vgl. Bell 1934.

bin ich | mit den besten Grüßen | Ihr | UWilcken

Bell teilte daraufhin nach Durchsicht seiner früheren Abschriften mit, daß er in der Tat keine Erwähnung eines antinoitischen Gaues in früherer Zeit gefunden habe. Er liefert ferner zwei Zitate aus bisher unveröffentlichten Texten, zum einen, als „very strong evidence in favour of your theory“ die Herkunftsangabe ἀπὸ Ἀλαβαστρίνης τῆς Ἀντινόου νομαρχίας aus Inv. Nr. 2269 (2. Jahrhundert), zum anderen den Passus ἀπὸ κώ[μης --]ου τοῦ Ἀντινοΐτου νομοῦ aus dem Jahr 302 (Inv. Nr. 2288).

Bells Brief ist nicht erhalten. Die obigen Angaben beruhen auf Wilckens Bericht in P.Würzb.: 55. P.Lond. Inv. 2269 ist von Gonis 2023, P.Lond. Inv. 2288 von Fogarty 2023 ediert.

Erst am 7. Januar kommt Wilcken dazu, sich zu bedanken:

Brief Wilckens an Bell, datiert „7.1.34“. Handschr. Original in BL Add. MS 59522, fol. 208–210.

Lieber Herr Bell!

Ich war in den letzten Wochen so an meine Arbeiten gefesselt, daß ich es immer wieder aufschob, Ihnen zu schreiben. Ich bitte sehr um Entschuldigung, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen meinen herzlichsten Dank für Ihren Brief zu sagen, der mir für meine Arbeit so außerordentlich wertvoll gewesen ist. Ich bin Ihnen um so dankbarer, als es bei der Ueberfülle Ihrer Amtsgeschäfte eine sehr große Mühe für Sie war, Ihre früheren Notizen und Transcriptionen der Antinoopolis-Papyri herauszusuchen, um meine Frage beantworten zu können.

Es war mir eine große Freude und Beruhigung, von Ihnen zu hören, daß Sie in den älteren Texten kein Beispiel für einen Ἀντινοίτης νομός oder στρατηγός gefunden |² haben, und daß Sie geneigt sind, für diese Zeit meiner Hypothese, daß es keinen antin(oitischen) Gau gegeben habe, zuzustimmen. Andrerseits ist es mir von großem Wert, daß Sie mir für 302 ein sicheres Beispiel einer Erwähnung dieses Gaues mitteilen konnten. Damit klärt sich zugleich die mehrfache Nennung dieses Gaues im VI. Jahrh(undert). Sie haben gewiß Recht mit der Annahme, daß erst im III. Jahrh(undert) diese Neuerung eingeführt ist. Ich möchte glauben, daß Diokletian dies getan hat bei seiner durchgreifenden Neuorganisation von Aegypten. Doch das hängt von weiterem Material ab.

Sehr diskutabel ist die Frage, wie nun die von Hadrian geschaffene νομαρχία Ἀντ(ινόου) sich zu dem Ἑρμοπ(ολίτης) νομός verhalten hat. In diesem Punkte habe ich Bedenken, mich Ihrer Ansicht anzuschließen, daß diese νομαρχία dem Ἑρμοπ(ολίτης) nicht subordiniert, sondern coordiniert gewesen |³ sei. Ich hatte mir darüber Anfangs auch sehr den Kopf zerbrochen. Mir scheint aber doch Manches für die erstere Alternative zu sprechen, natürlich in dem Sinne, daß die Stadt Antin(oopolis) in ihren eigenen Angelegenheiten von dem στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου νομοῦ) ebenso eximiert war, wie wir es bisher für den στρ(ατηγὸς) Ἀντ(ινόου) angenommen hatten. Wir kennen doch auch Nomarchien nur innerhalb von Gauen. Für meine Theorie scheint mir Oxy. VIII 1100 (n(ach) 206) zu sprechen, wo ich in Z. 23 (mit Heranziehung von PSI III 199,17) (n(ach) 203!) ergänzen möchte: Προετέθη ἐν Ἀντινόου πόλ(ει) ὑπὸ Ἀρί[ου νομάρχου Datum]. Danach hat der Praefect sein Edikt an den στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου) zur Publikation geschickt (Z. 1), dieser aber hat ⟦es⟧ dem Nomarchen zur Publikation in der Stadt ein Exemplar übersandt. Da haben wir also ein Beispiel für den amtlichen Verkehr zwischen dem στρ(ατηγὸς) Ἑρμοπ(ολίτου) und dem νομάρχ(ης) Ἀντινόου. Wenn die Nomarchie selbständig außerhalb | 4 des Hermopolites stünde, so hätte der Praefect ein besonderes Exemplar an den Nomarchen schicken müssen. In diesem Falle hätte man aber in Antinoopolis nicht die Aufforderung an die Strategen ausgehängt. Mir scheint dies ein gutes Argument zu sein.

Außerdem glaube ich, daß ⟦das⟧ Ihr Dorf Ἀλαβαστρίν(ης) τῆς Ἀντ(ινόου) νομ(αρχίας) doch identisch sein muß mit dem mehrmals (von Diokletian!) genannten Dorf Ἀλαβ(αστρίνη) τοῦ Ἑρμοπ(ολίτου νομοῦ), denn beide müssen auf dem Ostufer bei den Alabasterbrüchen von Hat-nab gelegen haben, da es auf dem Westufer keinen Alabaster gibt. Vgl. auch Flor. 3, 6, wo offenbar nur ein Dorf Ἀλαβ(αστρίνη) bekannt ist. Doch ich kann das hier nur in Kürze andeuten.

Jedenfalls sind das schwierige Probleme, zu deren völliger Klärung noch weiteres Material erwünscht wäre. Es wäre schön, wenn Sie später bei genauer Durcharbeitung Ihrer | 5 Ant(inoopolis-) Papyri noch weitere Angaben fänden, die für das Gesamtproblem – so oder so – von Nutzen wären.

Zum Schluß möchte ich Ihnen noch bestens gratulieren zu der Erwerbung des Sinaiticus für das British Museum. Deissmann erzählte mir, daß er in einer Zeitung oder Zeitschrift ein Bild gesehen hat, auf dem Sie und Kenyon bei der Empfangnahme der Handschrift abgebildet waren. Das ist eine stolze Erwerbung, über die wir uns alle mitfreuen, da der Sinaiticus uns damit näher gerückt ist.

Indem ich Ihnen, lieber Herr Bell, für Ihre mir so außerordentlich wertvollen Auskünfte nochmals herzlichst danke, bleibe ich, mit den besten Wünschen für ein glückliches und gesundes neues Jahr | Ihr Ihnen ganz ergebener | Ulrich Wilcken

Drei Monate später war der Band abgeschlossen und im Erscheinen, wie Wilcken am 17. April 1934 an Handwerker berichtet:

Brief Wilckens an Handwerker, datiert „17.4.34“. Handschr. Original in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a.

Sehr verehrter Herr Direktor!

Meine Arbeit über die Würzburger Papyri ist nun glücklich fertiggestellt und wird in wenigen Tagen zur Ausgabe kommen. Sie sind natürlich unter den Ersten, die ein Exemplar erhalten sollen. Es wird Ihnen von der Akademie zugeschickt werden. Hätte ich es selbst expedieren können, so hätte ich gern Gruß und Dank hinzugefügt, aber ich mußte es der Akademie überlassen, da ich am nächsten Sonnabend den 21. c(u)r(rentis) meine schon lange geplante Reise nach Italien (auf ca. 6 Wochen) antreten werde. Sollte es Ihnen erwünscht sein, so kann ich Ihnen nach meiner Rückkehr auch noch 1–2 Exemplare für Ihre Bibliothek schicken. |²

Ich war heute noch einmal im Museum, um mit H(er)rn Schubart und Ibscher über die Rücksendung der Originale zu sprechen. Zunächst sollen ja die von mir publicierten Texte möglichst bald zurückgeschickt werden. Hr. Ibscher wird alles dazu Nötige tun. Ich habe auf jedem dieser publicierten Stücken auf kleinen Etiketten die Nr. meiner Publikation notiert (Würz. 1 etc, wie man sie citieren wird) und außerdem die Inventarnummern. Auch den publicierten Papyri, die nicht zu jenen 17 gehörten, die Sie schon inventarisiert haben, habe ich eine Inventarnummer gegeben (von 18 an). Für diese bedarf es keiner Inhaltsangaben, da Sie ja aus meiner Publikation alles Nötige entnehmen können. |³ Aber wenn wir Ihnen später die nicht publicierten Stücke senden, werde ich gern wieder wie bei jenen 17 Ihnen die nötigen Angaben für Ihr Inventar machen.

Briefe werden mich vom nächsten Sonnabend an in den nächsten Wochen nicht erreichen können, da ich der Post keine Adresse angeben kann. Wenn ich aber um den 1. Mai nach Palermo komme (auf einige Tage), werde ich mich auf der Post nach Postrestante (fermo Posta) umsehen. Ich bemerke dies für den Fall, daß Sie mir etwas mitteilen wollten.

Indem ich Ihnen, sehr verehrter Herr Direktor noch einmal herzlich dafür danke, daß Sie meine Arbeit so freundlich gefördert haben, bin ich mit besten Grüßen | Ihr ganz ergebener | Ulrich Wilcken

Damit lag weniger als zweieinhalb Jahre nach Handwerkers erstem Schreiben an Wilcken der erwünschte Editionsband vor. Bald nach dem Eintreffen des angekündigten Exemplars berichtete dieser an den Rektor der Universität Würzburg, den zum 15.10.1933 ernannten Rechtsmediziner Herwart Fischer (1885–1938) von diesem Erfolg seiner Bemühungen:

Brief Handwerkers an Fischer, ohne Datum. Handschr. Entwurf mit „ANo. 561“ in ArchUBW II, 29, Fasc. 83a. Dazu kommt ein Nachtrag am rechten oberen Rand: „Das Vorwort gibt kurzen Bericht über die Stiftung. Ich kann vorläufig nur das mir persönlich übersandte Exemplar vorlegen.“

Euere Magnifizenz!

Herr Geheimrat Prym hat seinerzeit Herrn Geheimrat Wilcken, als er noch unserer Universität angehörte, eine beträchtliche Summe zum Ankaufe von Papyri übergeben, die der Universitäts-Bibliothek zu ständiger Bewahrung über⟦gebe⟧lassen werden sollen. Die Summe ist verbraucht, ⟦bzw.⟧ zum Teil durch die Inflation vernichtet. 30 Papyri haben wir bereits erhalten, der Rest wird noch in Berlin bearbeitet.

Ich freue mich mitteilen zu können, daß Herr Geheimrat Wilcken soeben in den Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse 1933 Nr. 6 (Berlin 1934) 123 Seiten starke und mit 3 ausgezeichneten Facsimiles ausgestattete „Mitteilungen aus der Würzburger Papyrussammlung“ herausgegeben hat. Die Person des Bearbeiters wie ⟦der Ort⟧ die Einreihung der Veröffentlichung in die Akademie Abhandlungen sind für uns gleich ehrenvoll.

Hochachtungsvoll und mit Heil Hitler!

Dieser Zusatz ist wohl dem Adressaten Fischer geschuldet, der – seit 1930 NSDAP-Mitglied – sein Rektorat nach dem Führerprinzip verwaltete, vgl. Herber 2002: 155–157. Gegenüber Wilcken wäre dergleichen wohl fehl am Platze gewesen, vgl. Becht-Jördens 2023: 192–194 und 197–201, zu seiner politischen Haltung.

H(andwerker)

Mit dem Erscheinen des Bandes war für Wilcken, zumal angesichts zahlreicher anderer Verpflichtungen, die Editionstätigkeit Würzburger Stücke abgeschlossen, wenn er auch wie versprochen bei den in der Folge von Ibscher noch restaurierten Papyri eine Bestimmung für das Inventar vornahm. Da der Editionsband Jahre vor Abschluß der Restaurierung erschien, konnten freilich erst später von Ibscher bearbeitete Stücke nicht mehr berücksichtigt werden und blieben daher auch wichtige Stücke unveröffentlicht.

Literaturverzeichnis

Audring, G. (ed.) (1994) Ulrich Wilcken. Briefe an Eduard Meyer. 1889 – 1930. Konstanz.

Becht-Jördens, G. (2023) ”‘Aus Teilen nur erkennen wir.‘,“ in L. Berkes, W. G. Claytor und M. Nowak (Hg.), Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens. Wiesbaden: 187–218.

Bell, H. I. (1933) ”Diplomata Antinoitica,“ Aegyptus 13: 514–528.

Bell, H. I. (1934) ”Papyrology and Byzantine Studies,“ in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 314–326.

Berneker, E. (1934) ”Bericht über den Verlauf des 3. Internationalen Papyrologentages,” in W. Otto und L. Wenger (Hg.), Papyri und Altertumswissenschaft. Vorträge des 3. Internationalen Papyrologentages in München vom 4. bis 7. September 1933. München: 459–463.

Essler, H. (2009) ”Zur Geschichte der Würzburger Papyrussammlung,“ Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 33: 165–192.

Essler, H. und Hermes-Wladarsch, M. (2015) ”Zur Erwerbung der Bremer Papyrussammlung und des Apollonios-Archivs,” APF 38: 431–481.

Fogarty, S. (2023), Tyche 38.

Gonis, N. (2023) ”An Antinoite Document of 181–183,“ Pylon 4.

Herber, F. (2002) Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Leipzig.

Ibscher, R. (1959) ”Hugo Ibscher zum Gedächtnis,“ Altertum 5: 183–189.

Krutzsch, M. (1994) ”‘Geduld will beim Werke sein‘. Zur Erinnerung an Hugo Ibschers Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in der Berliner Papyrussammlung 1894,“ APF 40: 165–166.

Lüders, H. (1933) ”Zur Geschichte des ostasiatischen Tierkreises,“ SPAW: 998–1022.

Mälzer, G. (1987) Otto Handwerker (1877 - 1947). Bibliothekar und Historiker. Würzburg.

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